Zeiten ändern sich - Orange, Natural und Raw Wines

von Lilo Werbach 28/11/2022
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Zeiten ändern sich - Orange, Natural und Raw Wines

Eine rote Cuvée, gereift in teurer neuer französischer Eiche, war vor zwanzig Jahren für so manchen unserer heimischen Winzer der Höhepunkt der aktuellen Weinmode. Aber die Zeiten änderten sich – neue Eiche ist heute nicht mehr das Maß aller Dinge.

Die modernen Weinerzeuger von heute vinifizieren lieber ihren „Orange Wine“ oder eine spezielle Cuvée ohne Schwefelzusatz, vielleicht sogar einen „Natural Wine“. Gelegentlich verwenden sie auch Begriffe wie „Raw Wine“, „Maischekontakt“ oder das Adjektiv „maischevergoren“.

Natural Wine

„Natural Wine“ bildet dabei gemeinsam mit „Raw Wine“ die größte dieser Kategorien. „Natural Wine“ ist ein Begriff, der sich in den letzten zehn Jahren zunehmend als Bezeichnung für Weine durchgesetzt hat, die mit geringstmöglichem Eingriff bei der Vinifikation durch den Winzer hergestellt werden.

In Österreich dürfen ausschließlich biologisch wirtschaftende Betriebe Landwein mit Trübung und oxidativer Note als „Natural Wine“ in Verkehr bringen. Dies gilt auch für Wein ohne nähere Herkunftsbezeichnung als Österreich. Bei diesen Weinen darf keine Anreicherung zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehaltes, keine Süßung und kein Zusatz von Weinbehandlungsmitteln außer Bentonit und schwefliger Säure erfolgen; der zulässige Höchstgehalt an schwefliger Säure beträgt 70 mg/l inklusive der Analysetoleranz. Angaben wie „Naturwein“ sind bei sämtlichen Weinen auf dem Etikett nicht zulässig.

Die Anfänge der Natural-Wine-Bewegung liegen im Frankreich der 1980er-Jahre. Zu jener Zeit begannen Jules Chauvet und Jacques Néauport zu experimentieren wie man Wein ohne Einsatz von Antioxidationsmitteln und das Konservierungsmittel Schwefeldioxid herstellen kann. Seitdem hat sich „vin nature“ zu einer facettenreichen globalen Gegenkulturbewegung entwickelt, die sich der Homogenisierung, Industrialisierung und der Kultur der Parker-Punkte entgegenstellt, welche die 1990er- und 2000er-Jahre dominierte.

Grundsätzlich sollte Natural Wine folgende Grundsätze erfüllen:

- biologischer oder biodynamischer Weinbau – egal ob mit oder ohne Zertifizierung

- von Hand gelesene Trauben

- spontane Gärung ohne Einsatz von Zusatz- und/oder Laborhefe

- keine Zusätze zum Most bzw. keine Anpassungen des Mosts: keine Säuerung, keine Chaptalisation und kein Zusatz von Hefenährstoffen oder Enzymen

- keine starke Bearbeitung des Weins, z. B. mittels Schleuderkegelkolonne, Umkehrosmose, Mikrooxygenierung oder Kryoextraktion

- keine Filtration

- keine Schönung

minimale oder gar keine Schwefeldioxidzugabe

Die, die es besonders genau nehmen bestehen auch auf:

- absolut keinen Zusatz von Schwefel

- keine Hemmung der malolaktischen Gärung bei Weißweinen

- keinerlei Beeinflussung der Gärungstemperatur, egal wodurch auch immer

kein Einsatz neuer Eiche

Unter Weinliebhabern sind diese Wein teilweise umstritten. Es wird von Skeptikern behauptet, dass es lediglich darum gehe, mögliche Fehler in einem Wein zu verzeihen. Eine berechtigte Frage ist auch: „Reicht es nicht aus, einfach zertifiziert biologisch und/oder biodynamisch zu sein?“ Die Antwort wäre komplex. Tatsache ist jedoch, dass die Anbaumethoden nicht alles kontrollieren was im Weinkeller vor sich geht.  Winzer:innen können eine Bio-Zertifizierung haben und arbeiten aber im Keller dann konventionell. Die Natural-Wine-Bewegung geht auf diesen Umstand ein, indem sie anerkennt, dass Konsequenz im Weinkeller ebenso wichtig ist wie im Weingarten. Das heißt, dass auch im Weinkeller eine möglichst naturnahe Behandlung der Trauben und des Weins erfolgen sollte.

Orange Wine

„Orange Wine“ wird oft mit „Natural Wine“ verwechselt, die beiden Begriffe werden gelegentlich auch fälschlicherweise als Synonyme verwendet. Während „Natural Wine“ auf eine breitgefächerte Kategorie – oder vielmehr auf eine ganz besondere Ideologie – verweist, so bezieht sich „Orange Wine“ schlicht und einfach auf eine spezielle Weinbereitungstechnik. So wie „Roséwein“ einen Wein aus roten Trauben mit sehr kurzem Maischekontakt bezeichnet, ist „Orange Wine“ ein Wein aus weißen Trauben mit verlängertem Maischekontakt während der Gärung. Dies hat dazu geführt, dass manche „Orange Wine“ als die „vierte Weinfarbe“ oder als „Weißwein, der wie Rotwein hergestellt wird“ bezeichnen.

Es ist oft ein Missverständnis, dass Orange Wines aufgrund ihrer Farbe, die von hellem Bernsteingold bis hin zu kräftigem Rostbraun reichen kann, oxidiert sein müssen. Doch Oxidation ist selten das gewünschte Ziel. Die Winzer, die mit diesem Weinbereitungsverfahren vertraut sind, sorgen in der Regel dafür, dass ihre Fässer geschlossen bleiben und nach der Gärung wieder aufgefüllt werden, um Oxidation zu vermeiden.

Ein Nischenprodukt mit Zukunft

Obwohl sowohl „Natural Wine" als auch „Orange Wine“ Nischenprodukte sind, können sie sich doch als spannende Ergänzung in den Portfolios vieler österreichischer Winzer:innen erweisen. Einige widmen sich inzwischen ganz ihrer Leidenschaft für Orange und Natural Wines, und den besten unter ihnen gelingt es, äußerst faszinierende und charaktervolle Weine hervorzubringen. Diese bereichern nicht nur die österreichische Weinszene, sondern haben sich auch international einen guten Ruf erarbeitet.